05. Februar 2004

Presseeklärung der Staatsanwaltschaft Fulda

Die Mitteilung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Fulda vom 5. Februar 2004 – unterzeichnet von Staatsanwalt Harry Wilke – hat folgenden Wortlaut:

Die Prüfung eines Anfangsverdachts gegen MdB Martin Hohmann wegen Volksverhetzung, Beleidigung und übler Nachrede auf die Anzeigen verschiedener Verbände und Einzelpersonen hat zur Ablehnung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Fulda geführt. Eine strafrechtliche Würdigung der Rede des Angezeigten vom 03.10.2003 in Neuhof hat ergeben, daß keine Straftatbestände verwirklicht sind.

I.

Volksverhetzung im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB liegt nicht vor, da weder das Tatbestandsmerkmal ‘Aufstacheln zum Haß’ noch das des ‘Angriffs auf die Menschenwürde’ anderer erfüllt ist.
Die an der schlechten Finanzlage der öffentlichen Haushalte festgemachte Kritik des Angezeigten an weiteren Entschädigungsleistungen für Juden und andere Opfer des Nationalsozialismus verwirklicht im Lichte der Meinungsfreiheit keines der oben genannten Tatbestandsmerkmale.
Die Ausführungen des Angezeigten zum sogenannten „Tätervolk“ sind in der Gesamtschau ebenfalls nicht tatbestandlich. Zum einen benutzt der Angezeigte bei seiner Äußerung den Konjunktiv und zum anderen relativiert er diese These durch die Feststellung, daß weder die Deutschen noch die Juden ein ‘Tätervolk’ seien.
Die Erwähnung der Erschießung von sieben Mitgliedern der ‘Thule-Gesellschaft’ durch Rotgardisten sowie die Bezugnahme auf die Vorfälle der sogenannten Münchner Räterepublik stellt keinen Angriff auf die Menschenwürde der deutschen Juden im Sinne der genannten Vorschrift dar. Der Gesamtinhalt der Rede bietet angesichts auch deutlicher Distanzierungen keine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Angezeigte habe sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifizieren wollen. Im Gegenteil zeigen Passagen der Rede wie ‘verheerenden und einzigartigen Untaten, die auf Hitlers Geheiß begangen wurden’ und ‘die verbrecherischen und verhängnisvollen 12 Jahre NS-Diktatur’ deutliche Distanzierungen auf. Im Zweifelsfall mehrdeutiger Äußerungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NStZ 2003, 655) in einer Gesamtschau von der für den Angezeigten günstigsten Auslegung auszugehen. Eine Strafbarkeit gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB scheidet daher aus.

II.

Die Verbreitung der Rede im Internet stellt keine Straftat in Sinne von § 130 Abs. 2 StGB dar, da die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen mit denen des § 130 Abs. 1 StGB identisch sind und – wie ausgeführt – nicht vorliegen.

III.

Ein Leugnen des Holocausts nach § 130 Abs. 3 und 4 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Der Angezeigte leugnet weder den Holocaust an sich, noch bagatellisiert er nachweisbar die Einzigartigkeit und die wahre Dimension des unter nationalsozialistischer Herrschaft am jüdischen Volk verübten Völkermordes. Die Gesamtheit seiner Äußerungen stellt vielmehr in längeren Passagen seiner Rede die Einzigartigkeit des Holocausts heraus, zu dessen Wiedergutmachung ‘sich die Mehrheit der Deutschen ganz ausdrücklich (bekennt), wobei Leid und Tod in unermeßlichem Maß nicht ungeschehen gemacht werden kann’.

IV.

Die Beleidigungsdelikte der §§ 185 bis 189 StGB sind nicht erfüllt, da der Angezeigte mit seinen Äußerungen die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschritten hat. Selbst der Einsatz starker Ausdrücke, polemisierender Wendungen und überspitzter ‘plakativer’ Wertungen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Grenzziehung zwischen Ehrenschutz und Meinungsfreiheit (vgl. BVerfG NJW 1993, 1462; BGH NJW 1987, 1398; OLG München NJW 1992, 1323ff.) zulässig, soweit die Kritik des Angezeigten zu den angesprochenen Problemkreisen noch – wie vorliegend – sachbezogen ist.

V.

Da die allein unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu bewertende Rede keine Straftatbestände erfüllt, war der Staatsanwaltschaft die Einleitung von Ermittlungen verwehrt (§ 152 Abs. 2 StPO).
Eine Unterrichtung des Bundestagspräsidenten im Hinblick auf die Immunität des Bundestagsabgeordneten war deshalb nicht erforderlich.


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